Grundlegende Änderung der werkvertraglichen BGH-Rechtsprechung zur Sichtweise auf den Mangelbegriff und zur Schadensberechnung!

Ende der sog. fiktiven Mängelbeseitigungskosten!

Festlegung grundlegender dogmatischer Fragen des Werkvertragsrechts, bezogen auf die Rechtslage nach den §§ 631 ff BGB seit dem 01.01.2002 (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz).

Unter ausdrücklicher Ausklammerung der Regelungen zum Kaufvertragsrecht sowie früherer werkvertraglicher Rechtslagen zum „Mangel- und Fehlerbegriff“ hat der 7. Zivilsenat des BGH in der letzten Sitzung, unter seinem zuletzt langjährigen Vorsitzenden Dr. Wolfgang Eick, am 22.02.2018 Grundlegendes zu den Themen: „Mängel und Schaden“ entschieden.

Der Kernpunkt der Ausgangsüberlegung des BGH ist: „Der Mangel ist der Schaden“.

Im Anhang werden in Kurzform der Sachverhalt zu der Entscheidung - VII ZR 46/17 -, sowie die Leitsätze zu 1 und 2 (außergewöhnlich ausführliche Leitsätze) veröffentlicht (siehe Anhang). Wiedergegeben nach einer Darstellung des Vorsitzenden Richters am BGH, Dr. Eick a. D., bei der ARGE Baurecht am 10.03.2018 in Düsseldorf. Das „revolutionäre“ an dieser Entscheidung ist der Untergang der sog. „fiktiven Schadensberechnung“.

Während bislang - und dies in vermutlich tausenden anhängigen gerichtlichen Verfahren – der „zur Beseitigung des Mangels erforderliche Aufwand“ einschließlich seiner „möglichen Folgeschäden“ unter Vorlage von

  • - Kostenvoranschlägen,
  • - Privatgutachten zur Schadensberechnung,

fiktiv dargelegt werden konnte, ist dies nun für die Zukunft ausgeschlossen.

Der BGH stellt nunmehr:

  • das Leistungsinteresse des Bestellers
  • eine Vermögensbilanz: Wert der Sache mit und ohne Mangel
  • eine Entschädigung eines sog. „Minderwerts“

in den Fokus. D. h. „die Vermögensbilanz zwischen der bestellten Sache mit und ohne Mangel“ muss bewertet werden.

Es geht dabei nach wie vor durchaus auch um die Ermittlung von Mangel-Beseitigungskosten, allerdings unter gleichzeitigem Ausschluss jeglicher „Überkompensation“, d. h. der vollständigen Durchsetzung eines sog. schadensrechtlichen Bereicherungsverbots (die nachgebesserte Sache ist besser, als die ursprünglich Bestellte).

Der 7. Zivilsenat sieht in der prozessualen Erleichterung des § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO (Schadensschätzung) die Selbstverständlichkeit, dass die Zivilgerichte „unkompliziert“ in der Lage sein werden, den Schaden dann nach Angaben der Parteien zu schätzen! Dass diese erst mit prozessualem Leben zu erfüllende Erwartungshaltung umgesetzt wird, darf skeptisch betrachtet werden. Dogmatisch wird nunmehr der Vergleich der Vermögensbilanz zwischen „der bestellten Sache mit oder ohne Mangel“ als sog. „Differenzhypothese“ bezeichnet.

Mit dieser Rechtsprechung wird auch eine erhebliche Herausforderung an die Sachverständigen zur Bewertung von Schäden an Gebäuden verbunden sein! Sie können die Fragen nach dem „Schaden“ nun künftig nicht mit dem bloßen Hinweis auf eine „Berechnung der mutmaßlichen Mängelbeseitigungskosten“ beantworten, sondern müssen sich auf eine „Vermögensbilanz“ einstellen und die entsprechende jetzt geforderte Differenzhypothese „wertmäßig“ mit Leben füllen. Ob das nach einem Baukostenindex (BKI) o. ä. geschehen kann, bleibt offen…..Es handelt sich auf jeden Fall um eine „unscharfe“ Schadensberechnung, was schon der Hinweis auf das Schätzerfordernis des Gerichts nach § 287 ZPO zeigt.

Hr. Dr. Eick hat in seiner mündlichen Darstellung vor der ARGE Baurecht des DAV am 10.03.2018 in Düsseldorf ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der 7. Zivilsenat seine (revolutionäre neue) Rechtsprechung ausschließlich aber auch entschieden, auf das Werkvertragsrecht ausrichtet. Damit soll vermieden werden, dass „eine gemeinsame“ Linie mit der kaufrechtlichen Rechtsprechung des BHG (3. und 8. Zivilsenat) hergestellt werden muss. Eine Entscheidung des gemeinsamen obersten Senats des BGH soll damit vermieden werden.

Bei praktischen und ausdrücklichen Fragen, die die Umstellung auch für die laufenden Verfahren betreffen, sprechen Sie uns an bzw. vereinbaren Sie einen Termin.

Soweit es das öffentliche und private Baurecht angeht:
Michael Kirsch, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, T: 0241 990174-35.

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