Übersicht

Bis heute wurden sechs Urteile des LG Aachen zum „Abgasskandal“ veröffentlicht. Ein Urteil beschäftigt sich mit Schadensersatzansprüchen der Käufer. Zwei Urteile beschäftigen sich mit Nachlieferungsansprüchen der Käufer. Einmal wird ein solcher bejaht. Einmal wird ein solcher verneint. Hervorzuheben ist, dass in beiden Fällen ein Modellwechsel stattgefunden hatte. Drei Urteile beschäftigen sich mit Kaufpreisrückzahlungsansprüchen – nach Rücktrittserklärungen – der Käufer. Hervorzuheben ist, dass alle Rücktrittserklärungen vor der Umrüstung der Fahrzeuge abgegeben wurden. In einem Fall wird gefragt, ob die Rücktrittserklärung – nach der Umrüstung – ihre Wirksamkeit verliert. Die Frage wird vom LG Aachen verneint.
Urteil vom 06.12.2016 – 10 O 146/16 – nicht rechtskräftig:

Das LG Aachen bejahte einen Kaufpreisrückzahlungsanspruch des Käufers:

„Der PKW war indes zum Zeitpunkt der Übergabe am 02.10.2012 mangelhaft, da er aufgrund der Ausstattung mit zwei Betriebsmodi sowie einer auf das Motorsteuerungsgerät einwirkenden Software jedenfalls nicht die übliche Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 T. 2 Nr. 2 BGB aufwies. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem erklärten Rücktritt durch das am 20.09.2016 erfolgte Aufspielen des Software-Updates [Umrüstung] auch nicht der „Boden entzogen worden“. Es kann dahin stehen, ob durch das Software-Update der ursprüngliche Mangel des streitgegenständlichen Fahrzeugs erfolgreich behoben worden ist. Denn jedenfalls wäre der Kläger nur dann unter dem Gesichtspunkt des treuwidrigen Verhaltens gemäß § 242 BGB an dem Festhalten der durch den wirksam erklärten Rücktritt erlangten Rechtsposition gehindert, wenn die Mängelbeseitigung mit seiner Zustimmung erfolgt wäre. Gemessen an diesen Maßstäben liegt vorliegend jedoch eine Zustimmung des Klägers zur Durchführung der Mängelbeseitigungsmaßnahme nicht vor. Im Gegenteil – der Kläger war gerade nicht frei in seiner Entscheidung, das Software-Update aufspielen zu lassen. Denn in dem durch den Kläger als Anlage K 42 vorgelegten Informationsschreiben des VW Konzerns vom Juli 2016 wurde dem Kläger deutlich gemacht, dass bei Nicht-Teilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung gemäß § 5 FZV erfolgen könne. Um dem Entzug der Betriebserlaubnis zu entgehen und um sein Fahrzeug weiter nutzen zu können, war der Kläger gezwungen, entsprechend der Aufforderung des Herstellers und auch der Beklagten zu agieren. Gleichermaßen hätte das klägerische Fahrzeug bei einer Verweigerung des Updates nicht die Anforderungen der Euro-5-Abgasnorm erfüllt, sodass dem Kläger im Rahmen der nächsten Abgasuntersuchung der Entzug der Grünen Plakette gedroht hätte.“
Urteil vom 21.03.2017 – 10 O 177/16 – nicht rechtskräftig:

Das LG Aachen verneinte einen Nachlieferungsanspruch des Käufers:

„Der PKW war indes zum Zeitpunkt der Übergabe am 23.07.2010 mangelhaft, da er aufgrund der Ausstattung mit zwei Betriebsmodi sowie einer auf das Motorsteuerungsgerät einwirkenden Software jedenfalls nicht die übliche Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB aufwies. Jedoch ist der Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien Ersatzfahrzeuges zum einen nach § 275 Abs. 1 BGB und zum anderen nach § 439 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Der Beklagten ist eine Neulieferung eines mangelfreien Fahrzeugs, das mit dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug in allen Merkmalen übereinstimmt, unmöglich im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB. Soweit die Beklagte noch im Besitz von gleichartigen Fahrzeugen sein sollte, wären diese sämtlichst mit dem 2,0-Liter-Dieselmotor vom Typ EA 189 und damit auch mit der Manipulationssoftware ausgestattet und wiesen damit gleichermaßen einen Sachmangel auf. Im Übrigen wird das Modell des klägerischen Fahrzeugs nicht mehr hergestellt. Die Beklagte ist auch im Rahmen des vorliegenden Gattungskaufes nicht verpflichtet, dem Kläger ein Ersatzfahrzeug aus seiner neuen Modellreihe [Modellwechsel] zu liefern, weil dieses nicht zu der geschuldeten Gattung gehört. Zudem wäre eine etwaig mögliche Neulieferung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, sodass die Beklagte die klägerseits gewählte Art der Nacherfüllung nach § 439 Abs. 3 BGB verweigern durfte. Im Falle der Nachlieferung müsste die Beklagte dem Kläger einen Neuwagen übereignen und erhielte den streitgegenständlichen, bereits mehr als sechs Jahre alten Wagen zurück. Durch den Zeitablauf und die Nutzung hat das Fahrzeug erheblich an Wert verloren. In Höhe der Differenz zwischen dem Wert beider Fahrzeuge entstünde der Beklagten ein erheblicher Schaden, weil der Kläger als Verbraucher nach §§ 474 Abs. 5 S. 1, 439 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB nicht zur Leistung von Wertersatz für die zwischenzeitliche Nutzung verpflichtet wäre.“
Urteil vom 04.05.2017 – 10 O 422/16 – nicht rechtskräftig:

Das LG Aachen bejahte einen Kaufpreisrückzahlungsanspruch des Käufers:

„Das Fahrzeug ist zwar für die gewöhnliche Verwendung geeignet, da es fahrbereit ist und gefahren werden darf. Es weist aber nicht die Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die ein Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Schon das Vorhandensein einer Umschaltlogik, welche auf dem Prüfstand in den NOx-optimierten Modus 1 (mit einer erhöhten Abgasrückführungsrate) und im normalen Fahrbetrieb in einen Modus 0 (mit reduzierter Abgasrückführung) schaltet, enttäuscht berechtigte Erwartungen des Kunden an die übliche Beschaffenheit von Fahrzeugen vergleichbarer Art. In jedem Fall genügt es aber für die Annahme eines Sachmangels, wenn die im erworbenen Fahrzeug verwendete Software einem Software-Update unterzogen werden muss, um entsprechenden Auflagen des Kraftfahrtbundesamtes zu genügen und nicht den Verlust der allgemeinen Betriebserlaubnis zu riskieren.“
Urteil vom 18.05.2017 – 9 O 269/16 – nicht rechtskräftig:

Das LG Aachen bejahte einen Kaufpreisrückzahlungsanspruch des Käufers:

„Fahrzeuge, in deren Elektronik eine Software installiert ist, die auf dem Rollenprüfstand einen niedrigeren Schaftstoffausstoß generiert als im Echtbetrieb zu erwarten wäre, haben einen Sachmangel. Die Fristsetzung zur Nacherfüllung war vorliegend nach §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich, da vorliegend besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Nachfristsetzung gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich, wenn der Verkäufer den Mangel verschwiegen hat. Nichts anderes kann aber gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Nacherfüllung nicht durch den Verkäufer selbst, sondern durch den Hersteller erfolgen soll – dieser also in Bezug auf die Nacherfüllung Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist – und der Hersteller die Mangelhaftigkeit des von ihm hergestellten Produktes verschwiegen hat. Die Volkswagen AG hat die Klägerin über das Vorhandensein der ‚Schummelsoftware‘ getäuscht. Von der Klägerin kann nicht verlangt werden, auf die Redlichkeit der Volkswagen AG zu vertrauen und darauf zu hoffen, dass durch das angebotene Software-Update die installierte ‚Schummelsoftware‘ endgültig und vollständig beseitigt wird. Die Entbehrlichkeit der Fristsetzung folgt zudem aus § 324 BGB. Die Beklagte kann, nach dem eigenen Vortrag, den Mangel nur unter Zuhilfenahme des von der Volkswagen AG entwickelten Software-Updates beseitigen. Die Volkswagen AG ist daher in Bezug auf das Software-Update Erfüllungsgehilfe der Beklagten im Sinne von § 278 BGB. Das Vertrauen der Klägerin in die Volkswagen AG ist jedoch, wie bereits ausgeführt, durch die Vorkommnisse zerstört. Auch hier sind daher die Besonderheiten des Dreiecksverhältnisses zwischen der Klägerin, der Beklagten und der Volkswagen AG zu berücksichtigen.“
Urteil vom 08.06.2017 – 12 O 347/16 – nicht rechtskräftig:

Das LG Aachen bejahte einen Nachlieferungsanspruch des Käufers:

„Das Fahrzeug ist mit einem Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB behaftet. Die Beschaffenheit des Fahrzeugs ist im Vergleich zu Sachen der gleichen Art nicht üblich und wird vom Käufer nach Anschauung des Gerichts nicht erwartet. Ein neues Fahrzeug ist üblicherweise so beschaffen, dass es bei Teilnahme am Straßenverkehr in der Lage ist, die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einzuhaltenden Grenzwerte nicht zu überschreiten. Der Kläger kann sein Nacherfüllungsverlangen wahlweise auf Nachbesserung der vorhandenen mangelhaften Sache oder Nachlieferung einer neuen mangelfreien Sache beziehen, § 439 Abs. 1 BGB. Die vom Kläger gewählte Nachlieferung ist der Beklagten nicht unmöglich, § 275 Abs. 1 BGB. Ein Fahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion [Modellwechsel] kann als Nachlieferung verlangt werden. Ein Fahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion ist eine gleichartige und gleichwertige Ersatzsache. Bei dieser Sicht hat das hier zuständige Gericht nicht übersehen, dass andere Gerichte und Kammer diese Rechtsfrage anders beurteilen. Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit tragen aber die Parteien, weil sie nicht bereit oder in der Lage sind, einen ‚Musterprozess‘ zu führen und abzuwarten. Die Beklagte kann nach Ansicht der Kammer die Nachlieferung nicht gemäß § 439 Abs. 3 BGB verweigern. Die Nachlieferung ist letztlich nicht unverhältnismäßig. Die in der mündlichen Verhandlung angesprochene Aufrechnung wegen einer Nutzungsentschädigung kam nicht in Betracht. Nach §§ 387 ff. BGB für eine Aufrechnung erforderliche Gleichartigkeit von Ansprüchen ist nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben. Der Kläger verlangt einen Gegenstand, während Nutzungsentschädigung in Geld zu leisten sein dürfte.“
Urteil vom 21.08.2017 – 11 O 189/16 – nicht rechtskräftig:

Das LG Aachen soll eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung der Volkswagen AG bejaht haben. Die Entscheidungsgründe liegen mir noch nicht vor.

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